Das Geheimnis des Lamassu

Kara Ben Nemsi und Arthur Conan Doyle unter Assassinen, Hexern und geflügelten Stieren.

Im September ist mein neuer Fantasy-Roman erschienen:

Das Geheimnis des Lamassu

Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar werden nach Lindsay Castle eingeladen. Nicht nur die frostige karge Gegend Nordenglands setzt ihren wüstenliebenden Gemütern zu, sondern auch die schreckliche Nachricht bei ihrer Ankunft: Der Earl of Lindsay – Sir Davids Vater – wurde unter mysteriösen Umständen ermordet. Während der Trauerfeierlichkeiten lernen sie Sir Davids Ziehschwester Anahita kennen, die ein Geheimnis umgibt, welches in der Vergangenheit der Familie zu liegen scheint. Eines Nachts, nachdem Kara und Sir David im Schlosspark von einer Gruppe persischer Assassinen überfallen wurden, ist Anahita plötzlich verschwunden. Mit Hilfe des analytisch begabten Familienfreundes Arthur Conan Doyle finden sie eine Spur, die in Lindsays Vergangenheit und zudem nach Persien führt. Kara, Halef und Sir David begeben sich auf die Jagd nach den Entführern. Damit beginnt ein Abenteuer, welches die drei Freunde in die Wüste mit seinen gefährlichen Geschöpfen führt, in unwegsame Berge zu schattenhaften Kriegern und in den prunkvollen Palast des Schahs von Persien mit seinen Wundern wie aus Tausendundeine Nacht. Zu spät bemerken sie die tödliche Falle, die ihnen der persische Magier stellt, welcher hinter all den Ereignissen die Fäden zieht.



Leseprobe

Kapitel 4: Assassinen 

Der Wind pfiff um die Zinnen, Giebel und Dächer von Lindsay Castle, doch schien sich nichts zu bewegen. Alles wirkte wie zu Eis erstarrt. Ich stand auf der Dachterrasse über dem Speisesaal und stierte durch die Finsternis der Nacht hinaus in den Park. Ob die eisigen Steine der Brüstung durch meine Hände die Kälte in mich hineinleiteten, oder ob es die dramatischen und unheimlichen Umstände waren, die mir hier in Gestalt eines Mords und eines Schlossgespensts begegneten – ich wusste es nicht. Ich spürte nur dieses lähmende kalte Gefühl in mir. Von Zeit zu Zeit lugte der fast noch volle Mond hinter einer der dunklen Wolken hervor, die über den Himmel jagten und mir den Blick auf die Sterne verwehrten. Sein Licht tauchte die nordenglische Landschaft in silbrigen Glanz. Über der weiten Rasenfläche in der Tiefe leuchtete matt die zarte Schneedecke wie ein Leichentuch, wogegen an der westlichen Seite des Parks die Trauerprozession einen breiten Pfad in ihr hinterlassen hatte. Auch der angrenzende Wald verbarg sein Angesicht unter einer glitzernden pudrigen Schicht. Stille umgab mich und drückte mich nieder wie eine tonnenschwere Last. Nur der Schrei eines Nachtvogels durchbrach diese hin und wieder, dass es mir einen Schauer über den Rücken jagte.

Der Besuch auf Lindsay Castle hatte sich ganz anders gestaltet als erhofft. Unerwartet begrüßte uns hier der Tod, und das unverhoffte Wiedersehen mit Sir David war von dunklen Schatten getrübt. Das Gefühl der Trauer über einen schmerzlichen Verlust hatte ich eigentlich in Schottland hinter mir lassen wollen, doch das war mir nicht vergönnt gewesen. Das Schicksal traf den Reisenden oft unvermutet auf seinen verschlungenen Wegen und manchmal materialisierte sich die Bedrohung bis zur fast greifbaren Existenz. So nun auch hier.

Derart grübelte ich vor mich hin hoch über dem Park des Schlosses meines englischen Freundes zu nachtschlafender Stunde. In tiefster Einsamkeit stand ich da, als mich ein anderer Laut als der einer Eule zusammenzucken ließ. Es war der Schrei einer Frau und ich wähnte, Anahita darin zu erkennen. Reflexartig wandte ich den Kopf nach oben zum Balkon der Schwester Sir Davids. Und tatsächlich stand die Tür offen. Eine Gestalt wand sich behände von der Brüstung hinauf und erklomm in Windeseile die Mauer zum Dach. Der Mond beleuchtete ihre eng anliegenden weißen Gewänder. Doch war ich mir sicher, dass es sich um einen Menschen und nicht das sagenhafte Schlossgespenst Halefs handelte. Aber ich konnte meinen Augen kaum trauen, mit welchem Wagemut dieser Einbrecher – und für etwas anderes konnte ich ihn nicht halten – über die Giebel rannte, fast von Zinne zu Zinne flog, geradewegs in meine Richtung. Mit unglaublicher Geschicklichkeit sprang die Gestalt ohne jedes Geräusch von einem First zum nächsten und landete schließlich mit einem Saltosprung neben mir auf der Terrasse. Lautlos stob ein wenig Schnee auf. Meine Hand zuckte zum Gürtel, doch war ich bar jedweder Waffen. Für den Bruchteil einer Sekunde blickte mich der Fliehende an. Sein Kopf war gänzlich in ein weißes Tuch gehüllt, das nur die düsteren Augen frei ließ. Das weiße Gewand gürtete eine nachtfarbene Schärpe, in der ein gebogener Dolch steckte. Seine Füße waren in dunkle Stiefel geschnürt, welche die Beine bis kurz unter die Knie einhüllten. Die Hände waren von Handschuhen geschützt, deren schwarze Lederschäfte fast bis zu den Ellbogen reichten. Ich blieb wie angewurzelt stehen und war nicht fähig, mich zu bewegen. Die Flucht des Fremden ging in unheimlicher Schnelligkeit und Stille vonstatten. Einer Katze gleich oder beinahe wie ein weißer Schatten sprang er sofort weiter auf die Brüstung der Terrasse, breitete die Arme aus und ließ sich wie ein Falke in die Tiefe fallen. Ich hielt den Atem an. Der Park war über zehn Meter unter uns. Das vermochte kein normaler Mensch zu überleben. Doch in jenem Moment war ich mir gewiss, dass er unmöglich ein gewöhnlicher Einbrecher sein konnte. Von solchen Männern hatte ich schon gelesen. Im Mittelalter gehörten sie einem syrisch-persischen Geheimbund an und man nannte sie – Assassinen.

Ich sprintete zur Brüstung, lehnte mich über die Mauer und blickte in die Tiefe. War das der legendäre Todessprung, der Falkensprung? Der Mann hatte den Grund erreicht und war keineswegs tot. Er erhob sich aus der Hocke und spurtete leichtfüßig über die ausgedehnte Rasenfläche mit den phantasievoll geschnittenen Buchsbäumen, die das Mondlicht in diesem Moment vor mir entblößte, in Richtung Waldrand. Ich konnte kaum fassen, zu was der Unbekannte fähig war.

In jenem Augenblick hörte ich hinter mir Lindsay schreien:

„Hurry up! Aus dem Weg, Kara!“

Mit dem Gewehr in der Hand kam er aus der Terrassentür gestürmt, erreichte die Brüstung, legte mit der ihm eigenen Kaltblütigkeit an und setzte einen sicheren Schuss. Der Knall echote in der Nacht mehrfach wider. Die Kugel verfehlte ihr Ziel nicht. Der Assassine stürzte mitten in seiner Bewegung, überschlug sich und blieb reglos im Schnee liegen.

„Kommt!“

Sir David zog mich mit sich. Wir rannten über die Dachterrasse ins Haus und die breite Treppe hinunter in die Empfangshalle. Von dort durch den wintergartengleichen Speisesaal.

„Was ist passiert?“, fragte ich im Laufen.

„Dieser Meuchelmörder hatte sich in die Gemächer meiner Anahita geschlichen. Wahrscheinlich wollte er sie ebenso töten wie meinen Vater. Doch er floh, als ich eintrat“, antwortete er schwer atmend.

Wir stürmten zum gläsernen Ausgang hinaus auf die untere Terrasse, sprangen die Stufen hinunter in den Park und weiter über den schneebedeckten Rasen zu dem getroffenen Assassinen. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich noch immer keine Waffe bei mir trug. Wir erreichten den Mann und hockten uns nieder. Ich erblickte eine Einschusswunde in seinem Rücken. Sein weißes Gewand hatte sich vom austretenden Blut dort rot verfärbt. Vorsichtig drehte ich ihn um. Er stöhnte leise, also lebte er noch.

„Wir müssen nach dem Arzt schicken“, empfahl ich.

„Well, zuerst aber muss ich wissen, wer ihn beauftragt hat“, knurrte Lindsay.

Er zog dem Mann die Maskierung vom Kopf. Wir erstarrten........




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